Zwischen Lebensentscheidungen und Main Character Vibes in Dublin

thoughts | 31.07.2023

Zwischen Ehrlichkeit und Traurigkeit im Bett liegen. Wir sind noch keine 24 Stunden in Dublin, es regnet in Strömen. Der erste Morgen hier hat so schön begonnen: Wir hatten einen kleinen tollen Saturdaybrunch in dem Café direkt im die Ecke.

Lichterketten hangelten sich die bunten Wände entlang, wenige ausgesuchte Schmankerl auf der Speisekarte, während Depeche Mode läuft und uns die Szene in die 80er Jahre versetzt. Ich spüre Main Character Vibes und das ist eines meiner liebsten Gefühle.

Auch weil ich hier mit S bin. Auch weil wir uns das schon so lange gewünscht haben. Und jetzt nach so vielen Jahren uns diesen kleinen Traum von gemeinsamer Quality Time erfüllen können.

Als wir aufbrechen, um zum Treffpunkt der Free Walking Tour zu gehen, erfüllt mich Abenteuerlust. Die Stadt will erkundet werden, von uns. Wir fahren mit einem der viel zu schnellen Doppeldecker und genießen die Sicht aus der ersten oberen Reihe. Fühlen uns wie Touris und verstehen noch nicht den Aufbau der Stadt, müssen das aber auch gar nicht, um zu verstehen: was eine süße, quirlige Stadt. Bunte Menschen. Alles will entdeckt werden und wir sind mittendrin.

Wie treffe ich wichtige Entscheidungen, wohin soll ich ziehen, was tun wenn man sich nicht entscheiden kann

Das Wetter hält sich tapfer, als wir 2.5h mit unserem local Guide Tara die lauten und leisen Straßen Dublins erkunden. Sie verrät uns, wo man den besten Whiskey, das beste Eis und die besten Burger bekommt. Dass „Whiskey“ mit „Wasser des Lebens“ gleichgesetzt werden kann. Verrät uns Geheimtipps und schenkt Komplimente. Sie ist so selbstsicher wie wir es gern wären. Wir geben ihr Trinkgeld und sind dann auf uns allein gestellt.

Und nach einem zu scharfen veganen Burrito, dem Besuch der „Love Lane“ und der mittlerweile viel zu vollen Gassen Dublins ist es der Stephens Green East Park, wo wir über Lebensentscheidungen und -entwürfe sprechen. Was mir zuerst leicht fällt, wird immer schwieriger: Die Tragweite meiner noch nicht gefällten Entscheidung wird mir bewusster als sie es war. Das macht mir Angst. Ein beklemmendes Gefühl, Unsicherheit. Das mich-lost-Fühlen habe ich also nicht in Deutschland gelassen. Natürlich begleitet es mich noch, auch in den Urlaub.

Und sie hat recht, wenn sie sagt, dass ich mich auch lost fühlen werde, wenn ich doch wieder nach München ziehe. Und dass das Gefühl aber auch nicht gleich weggeht, wenn ich in Erfurt bleibe. Man kann das nicht so schnell platzen lassen, wie für so vieles im Leben braucht es Zeit und Geduld.

Beides scheine ich nie zu haben.

„Die Entscheidung, nach Erfurt zu ziehen, hast wieder eher für die anderen getroffen“.
Fuck, stimmt.
Ich schaffe es nicht, mich an erste Stelle zu stellen.
Das will ich lernen, aber ich frage mich wie. Ich frage mich auch, wie lange ich noch lost bin.

Schon die Frage scheint mich aufzuhalten.

Wahrscheinlich muss ich es akzeptieren, das Chaos in mir, in meinem Alltag, in meinem Leben. Aber ich will es auch ändern und vor allem will ich endlich ankommen. Nur wie soll ich entscheiden wo, wenn jede Entscheidung so willkürlich ist? Die Willkürlichkeit meiner Entscheidungen und deren gleichzeitige Relevanz für mein ganzes Leben machen mir so Angst, dass ich mich gerade für nichts und niemanden entscheiden kann außer für mich. Und selbst das fällt mir schwer.

thoughts | ein paar Tage später

Ich sehe überall Main Character in Dublin, einer davon bin ich. Ich habe dieses Gefühl in den letzten Tagen so oft gespürt und finde es unglaublich toll. Letztendlich will ich ja auch auf mein Leben zurückblicken und diesen ‚Film‘ nochmal sehen wollen.

Seit die Sonne sich hier gezeigt hat, habe ich auch wieder diese unglaubliche Abenteuerlust in mir. Als wir heute durch die Gassen und Straßen Dublins gelaufen sind, habe ich die Abenteuer fast riechen können. Und so viele unterschiedliche Menschen hier sind so ‚signature‘, dass es fast unmöglich ist, das Gefühl nicht auch in sich selbst zu spüren.
Gleichzeitig frage ich mich, ob ich dieses Gefühl auch bewusst erschaffen könnte oder inwieweit der Ort und die Umgebung es prägen. Idee: Ich brauche eine Spotify Main Character Playlist, das hilft sicherlich. Denn das Gefühl möchte ich gern öfter haben.

Zeitgleich spüre ich aber so sehr, physisch wie psychisch, wie ich struggle. So innerlich. Ich weiß nicht wer ich bin und das macht mich fertig. Ich weiß nicht wer ich sein will. Wer ich sein kann. Die Möglichkeiten sind endlos und das macht mir Angst. Die Willkürlichkeit meines Lebens wird mir immer bewusster, weil ich so privilegiert bin, dass ich wählen kann. Aber all die Möglichkeiten machen mich machtlos und handlungsunfähig. Es fühlt sich an wie eine zweite Pubertät. Vielleicht ist das diese Mid-Twenties-Crisis. Vielleicht ist es Trennungsschmerz — von Typen und Freundschaften.

Einerseits glaube ich, kurz vor dem Sprung ins nächste Kapitel zu sein. Andererseits fühlt es sich an, als ob dieser Sprung noch Jahre dauern wird. Ich gerade einmal losrenne. Mich endlich in die Starterposition begeben konnte und auf das Sprungbrett zulaufe. Vielleicht ist es auch okay, dass ich mich so fühle? Wenn ich so genauer darüber nachdenke, merke ich, dass da noch so Vieles in mir schlummert, dass gefühlt werden will und noch nicht raus kann. Auch weil ich eine Scheißangst davor habe, was da raus kommen wird. Je mehr ich mich reflektiere, desto mehr Baustellen in mir erkenne ich. Will ich mich zu sehr optimieren? Ich will definitiv alles zu schnell und alles morgen. Ich glaube, ich muss oder darf oder sollte oder kann einfach mal entspannen bei allem. Aber das fällt mir so so schwer. Auch in dieser Lebensphase: Ich will die Struggles überwunden haben und selbstsicher sagen, wer ich bin. Wer ich sein will.

Ich bin nicht meine Gedanken und dennoch formen und hemmen sie mich so oft. Ich weiß nicht, wohin mit mir. Das macht mich krank.

Aber jetzt läuft Flowers von Miley im Busradio auf dem Weg nach Glendalough. Das macht’s ein bisschen besser.

Und was ich auch krass merke: mein ständig angespannter Kiefer. Dieser unglaubliche Druck. Ich will mir das glaube ich (nur wie?) bewusst machen, was mich bedrückt. Ich mach mir so viel Stress selber. Ich will mich mal fallen lassen können. Ich will mal ✨ entspannen ✨ — so zu 100 % an nichts denken und mich fallen lassen. Ich hoffe, dass ich das in den nächsten Monaten irgendwie schaffe. Mein Ventil finde. Da ist zu viel Druck, der muss raus. Sonst erdrückt er mich. 

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